Deutsche Kolonien
Als Deutsche Kolonien bezeichnete man Gebiete des Deutschen Kaiserreichs, die sich außerhalb des Reiches befanden. Die meisten davon waren in Afrika, einige wenige in Asien und Ozeanien. Der Reichskanzler Otto von Bismarck nannte die Kolonien „Schutzgebiete“. Damit war gemeint, das deutsches Militär den einheimischen Völkern dort im Austausch gegen ihr Land Schutz gewährte. Diese waren nämlich oft in Kriege mit anderen Stämmen verwickelt. Besonders beschützte das Militär jedoch die deutschen Kaufleute.
Vor dem Ersten Weltkrieg war das Deutsche Kolonialreich das drittgrößte der Welt, nach dem Britischen Weltreich und dem Französischen Kolonialreich. Was die Einwohnerzahl betrifft lag es noch hinter dem Kolonialreich der Niederlande. Nach dem Krieg musste das Deutsche Kaiserreich im Vertrag von Versailles all seine Kolonien abtreten. Einige wurden bereits zuvor aufgegeben oder von anderen Ländern erobert.
Wie kam Deutschland zu seinen Kolonien?
Als erste deutsche Kolonie könnte man das Gebiet „Klein-Venedig“ in Südamerika bezeichnen. Karl der Fünfte schuldete der Augsburger Adelsfamilie Welser Geld, dass er sich für einen Krieg geliehen hatte. Um die Schuld zu begleichen schenkte er ihnen in einem Vertrag ein großes Stück Land in Südamerika. Die Welser suchten in Klein-Venedig nach Gold und errichteten Missionen, um die Ureinwohner zum Christentum zu bekehren. Der Vertrag wurde 1546 jedoch aufgekündigt, weil es den Welsern nicht gelang, eine funktionierende Kolonie aufzubauen. Heute ist Klein-Venedig ein großer Teil von Venezuela.
Im Jahr 1839 wurde in Hamburg die „Deutsche Colonisations-Gesellschaft“ ins Leben gerufen. Sie wollte die Chathaminseln in der Nähe von Neuseeland kaufen, um dort eine Kolonie für deutsche Auswanderer zu errichten. Großbritannien hatte jedoch schon frühere Ansprüche auf das Gebiet, das es nun geltend machte. Auch die Österreicher versuchten Kolonien zu gründen. 1857 startete ein Schiff in Triest, um die Nikobaren im Indischen Ozean in Besitz zu nehmen. Eine Übernahme der Inseln blieb jedoch aus. Das Gebiet wurde später dänisch. Dänemark bot es Deutschland im Tausch gegen Schleswig an, wo es eine dänische Minderheit gab. Die Deutschen lehnten jedoch ab.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Ruf nach Kolonien im Deutschen Kaiserreich immer lauter. Unter anderem erhoffte man sich dadurch weniger Auswanderer zu verlieren, die bis dahin in großen Mengen in die USA und die englischen Kolonien auswanderten. Auch würden sich für deutsche Unternehmen neue Exportmöglichkeiten erschließen. Otto von Bismarck war jedoch lange gegen den Erwerb von Kolonien, weil es ihm zu teuer war.
Im Jahr 1878 änderte er diese Meinung. Einer der Beweggründe war, dass deutsche Händler in Übersee weniger Geld durch ausländische Zölle verlieren würden, wenn die Gebiete deutsch wären. Deutschland erklärte 1878 Samoa zur Kolonie. In den Jahren danach sicherte sich Deutschland große Gebiete in Afrika, für die sich die anderen Kolonialreiche bislang nicht interessierten. Das waren vor allem die heutigen Länder Togo, Namibia, Ruanda, Burundi und Kamerun. In Asien und Ozeanien kamen noch Palau, Teile Papua-Neuguineas und andere kleine Gebiete dazu. Im Jahr 1899 schloß das deutsche Reich einen Vertrag mit China. Es pachtete 99 Jahre lang das Gebiet um die Stadt Tsingtau. Die Deutschen errichteten dort das Pachtgebiet Kiautschou, das zur deutschen „Vorzeige-Kolonie“ in Asien werden sollte.