Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen war eine Nonne aus Deutschland im Mittelalter. Sie gründete ein Kloster und schrieb über Gott, über die Natur und über die Menschen. Heute sehen die Kirchen in ihr eine besonders wichtige Frau in ihrer Geschichte.
Ungefähr im Jahr 1098 wurde Hildegard geboren. Ihre Eltern waren Adelige, also reiche, hochgestellte Menschen. Da Hildegard das zehnte Kind war, gaben ihre Eltern sie in ein Kloster in der Nähe. Damals war sie etwa acht Jahre alt.
Als Nonne war Hildegard eine Art Geschenk an Gott. Nonnen lebten getrennt von der übrigen Welt. Ihr Kloster war besonders streng. Das Kloster gehörte eigentlich Mönchen, also Männern, aber Frauen hatten ihre eigene Gruppe. Als die Chefin der Gruppe starb, wählten die anderen Nonnen Hildegard zur neuen Chefin. Sie war also Äbtissin. Hildegard lockerte die Regeln und war sehr erfolgreich. Das lag auch daran, dass sie aus einer adeligen Familie kam, die dem Kloster spendete und gute Beziehungen zu wichtigen Leuten hatte. Viele Menschen förderten das Kloster wegen Hildegard.
Als sie etwas über 50 Jahre alt war, verließ Hildegard ihr altes Kloster. Zusammen mit zwanzig anderen Nonnen gründete sie ein neues auf dem Rupertsberg. Sie ließ nur adelige Frauen zu. Es wollten so viele in dieses Kloster, dass sie später ein weiteres Kloster übernahm, das Kloster Eibingen. Im Jahr 1179 starb sie im Kloster Rupertsberg.
Hildegard kannte viele wichtige Männer der damaligen Zeit. Sie schrieb mutige Briefe an den Kaiser und den Papst. Außerdem hielt sie Reden vor großen Menschenmengen. Das war bei Frauen sehr selten. Hildegard sprach offen aus, was sie an der Kirche schlecht fand.
Was hat Hildegard gesehen?
Schon mit drei Jahren soll Hildegard Visionen gehabt haben. Eine Vision ist einem Traum ähnlich. Man sieht etwas, das man nur selbst sieht. Das kann zum Beispiel ein angeblicher Blick in die Zukunft sein.
Mit 42 Jahren, so ließ Hildegard jemanden aufschreiben, habe sie ein Licht gesehen, das von Gott gekommen sei. Gott habe ihr Dinge gesagt, die sie an die Menschen weitergeben soll. Heute glauben manche Ärzte, dass sie vielleicht eine bestimmte Krankheit hatte: ein Skotom. Bei dieser Krankheit an den Augen kann es sein, dass man ein Lichtflimmern sieht.
Über Hildegards Visionen gibt es heute verschiedene Meinungen. Viele Forscher meinen: Hildegard hat tatsächlich daran geglaubt, was sie gesehen hat. Sie gehörte danach zu den Mystikern. Diese Menschen wollten Gott selbst erleben, durch das Gefühl, nicht über die Bibel.
Andere Forscher halten Hildegard hingegen für eine sehr kluge Frau, die ihren Willen geschickt durchsetzen konnte. Dabei halfen ihr die angeblichen Visionen: Notfalls behauptete sie, Gott habe ihre Meinung in einer Vision geteilt. Ihre Bescheidenheit soll Hildegard nur gespielt haben.
Wovon handeln Hildegards Bücher?
Hildegards Gedanken stehen vor allem in drei Büchern. Aufgeschrieben wurden sie von ihren Helfern. Sie hat über siebzig Musikstücke hinterlassen. Damit Frauen sie gut singen konnten, ist die Tonlage höher als bei anderen Stücken der Zeit. Meistens besteht ein Musikstück von Hildegard aus einer Melodie, die oft ein wenig verändert wiederholt wird.
Hildegard hatte viele Gedanken, auch dazu, was wir heute Naturwissenschaft und Medizin nennen. Ihr Wissen war wohl das, was sie selbst erlebt oder von anderen Menschen gehört hatte. Was soll man essen, wie kann man Krankheiten mit Pflanzen heilen, das wollte Hildegard wissen.
Warum ist Hildegard heute bekannt?
Lange Zeit wussten nur wenige Menschen von Hildegard. Doch im 20. Jahrhundert, 900 Jahre nach ihrem Tod, wollten immer mehr Menschen erfahren, was Frauen in der Geschichte gemacht haben. So entdeckten sie Hildegard. Für eine Frau des Mittelalters war sie erstaunlich mutig und einflussreich.
Manche Leute stellen gerne Sitten und Regeln in Frage und finden es gut, wenn den Mächtigen mal die Meinung gesagt wird. In Hildegard sehen sie deshalb ein Vorbild. Andere wollen wissen, was Hildegard über Krankheiten gesagt hat. Vielleicht trauen sie dem nicht, was heute die Ärzte sagen. Darum suchen sie nach anderen Arten zu heilen.
Auf der ganzen Welt befassen Forscher sich mit Hildegard. Sie lernen auch dank ihr, was jemand im Mittelalter gedacht und gefühlt hat. Allerdings weiß man nicht immer sicher, was Hildegard wirklich gesagt und getan hat. Einige Briefe, die sie angeblich geschrieben hat, sind tatsächlich später gefälscht worden.
In der katholischen Kirche ist Hildegard seit 1584 eine Heilige. Ein solcher Mensch hat Großes für den Glauben getan. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland gedenkt Hildegard. Im Jahr 2012 nannte die katholische Kirche sie eine Kirchenlehrerin: So jemand kennt sich besonders gut mit Gott aus. Nur drei andere Frauen wurden von der Kirche auf diese Weise geehrt.
„Brunnen des Lebens“, aus einem Buch Hildegards
Zwei Seiten aus dem selben Buch, das Manuskript gibt es immer noch.
Viele Schulen haben ihren Namen nach Hildegard, wie diese in Kempten in Bayern.
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